Translator:Günther Orth
S.42
Als Dschinnenfrau in Blau erschien sie mir
und sagte:
Nur in Symbolen sollst du zu ihnen sprechen,
denn so ist es besser für sie,
und auch du tust dir damit einen Gefallen.
56
Wenn sie mich so ansieht,
werde ich zu einer Welle,
die vergessen hat, was Wasser ist
und die es vorzieht, auf endlose Reise zu gehen.
Sie ist eine Dschinnenfrau, die sich als Baum tarnt
und damit den ganzen Wald zum Narren hält.
In Wirklichkeit ist sie eine Regenmacherin.
64
Ich befrage dich wie einen Leuchtturm,
der Schiffe von ihrem Kurs abbringt,
aber dem Sturm seinen Weg weist.
Ich preise dir mein Buch an,
auf dass deine Namen Aufnahme in ihm finden
und es deinen Träumen lauscht.
Kinder schlummern unter deinen Flügeln
und entrücken der Zeit.
Sogar in deine Zukunft hab ich schon geschaut,
damit wilde Begierde
und Gendertheorien deiner nicht vergessen.
Komm zu mir,
lass Sterndeuter dir
aus meinem Buche über dich vorlesen.
68
Glaube niemandem, dass Liebe andere Grenzen kennt als Wahnsinn.
Glaube niemandem, dass selbst ein Prophet gegen die Unbändigkeit von Träumen
ankommt,
Und glaube niemandem, der dir erzählt,
dass es Sonnenblumen schon gab, bevor Van Gogh sie malte.
72
Plötzlich bricht sie aus,
und ich schweige.
Sie verkündet, ich höre zu.
Sie formuliert Gesetze, ich gehorche.
Sie bahnt Wege, ich laufe.
Sie öffnet Türen, ich trete ein.
Sie poliert die Bücher, die ich lese.
Sie stellt Fallen, in die ich tappe.
Sie verfasst Verträge, denen ich mich unterwerfe.
Sie weckt Zwietracht, ich zerfließe,
Sie füllt den Krug, ich berausche mich.
Das hier ist keine Sprache,
das ist Magie!
Und die Magierin, das ist sie!
80
Wisse, sagte sie,
der du das Land verlassen hast auf leichtem Floß:
Das Meer, es blickt dir direkt in dein Herz!
Dahin, wo der Mensch nur aus Text besteht,
an den einzigen Ort, wo er ehrlich ist.
Wisse,
der du noch bei Nacht den Wagen ihr bereitet hast:
Du kommst nicht wieder von dieser Irrfahrt, der du erlagst.
Irgendwo weit weg wird dir etwas zustoßen,
und keiner wird mehr nach dir fragen.
Wisse,
dem Verreisen kannst du dennoch nicht entgehen,
dem Schreiben dennoch nicht widerstehen.
Du auf deinem dürren Floß,
schon bereitet dir jemand die See mit Teak- und Ebenholz,
damit du darauf wandelst und der Vermählung der Wellen beiwohnst.
84
Deine Becher, die sind nicht aus Glas!
Der Rausch kommt nicht vom Trinken,
der Rausch, er kommt vom Schreiben.
94-96
Sie unterzog mich einer Probe und sagte:
Nur bei Nacht erscheine ich
Nur auf Throne steige ich
Nur dem Wahrem eigne ich
Nur dem Propheten zeige ich mich
Nur von der Liebe künde ich
Nur auf Hochzeiten gehe ich
Nur deine Verse lese ich
Nur deinen Namen kenne ich
Nur deinetwegen kleide ich mich
Nur mit dir entkleide ich mich
Nur über dich freue ich mich
Nur um dich trauere ich
Und nur deine Stimme höre ich
Nur deine Beichte notiere ich
Nur was du schreibst verstehe ich
Nur dein Heim betrete ich
Nur in deinem Bette schlafe ich
Nur dein Arm kann mich wärmen
Nur dein Wein mich beseelen
Nur von deinem Honig koste ich
nur du erweckst in mir den Schmetterling
Ich gebe mich nur dir
Niemand soll mich haben außer dir
102
Sie warf mich in die Schlacht und sagte:
Erlaube nicht der Achtlosigkeit,
den Worten deine Leidenschaft zu rauben!
Sei wachsam wie ein Kämpfer ohne Waffen.
Lass mich den Ritter in dir lieben!
106
Sie tat mich in Wolkennebel und sagte:
Du schreibst von mir in schleierdünner Sehnsucht
und löschst mich mit der gröbsten Leidenschaft.
Und sooft du mich auch bloßstellst mit Symbolen
verhüllst du mich doch gleich mit Zeichen.
114
Sie überließ mich harter Arbeit und sagte:
Ich will dich prüfen mit aller Sorgfalt,
damit dir nicht entgeht, wie allgemein du bist.
Ins Verderben will ich dich treiben
mit Wegführern, die dich in ihren Laternen schaukeln,
damit du keinen Fehler übersiehst.
Auf die Wunden der Menschen will ich dich setzen
Auf dass du das Flehen der Herzen vernimmst
Distanzen will ich mit dir messen
Damit dein Herz Steine zum Glänzen bringt
Mein Blau sei dein, rühme es mit Gold!
Du bist mein Schöpfer Nummer eins
Du bist mein Eigen und mein Freund,
du bist der Faden meines Rocksaums.
Nenn du mich wie es dir beliebt
Es soll mir ein Vergnügen sein.
136
Ich
sagte: Du verliebter Feuerbrand,
du Sprachgefäß und Höllenverzeichnis,
es ist Zeit, dass die Seele begehrt,
dass sie zerschmilzt!
Die Zeit der Erhebung ist gekommen.
Lodernde Flamme,
kein Buchstabe entflieht einem Alphabet,
es sei denn veredelt mit Safran, gepresst von meiner Hand,
nicht Buchstaben sind es mehr,
nur noch hennarote Begierde,
auf dem Stirnhaar, im Knopfloch und in blinder Liebe.
Nichts anderes ist Sprache:
Glut, ein Glühen im Ansturm von Lettern.
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